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AMZ Racing – Ein Team überholt sich selbst

Niemand ist schneller als AMZ Racing

Student:innen der ETH Zürich bauen in Dübendorf elektrische Rennautos, die Weltrekorde knacken.

Bei der Beschleunigung von Null auf Hundert in unter einer Sekunde streikt die Wahrnehmung. «Da kommen weder Körper noch Verstand mit», sagt Lucien Fanton. «Vor allem die ersten Meter sind krass», ergänzt der Maschinenbau-Student, der Testfahrten im «mythen» gemacht hat. «Nicht erfahrbar, beschreibt es wohl am besten.»

Fanton studiert im dritten Jahr an der ETH Zürich und baut derzeit mit dem Akademischen Motorsportverein Zürich, kurz AMZ, im Innovation Park Zurich an einem Nachfolger des Weltrekordautos mythen. Mit dem mythen ist das AMZ-Team 2019 bei internationalen Studentenwettkämpfen angetreten, später haben sie ihn modifiziert und voll auf Beschleunigung ausgerichtet. Zum Beispiel mit einer quadratischen Bodenplatte, die dank zweier Ventilatoren ein Vakuum zwischen Asphalt und Bolide herstellt. Das drückt den Wagen mit zusätzlichen 200 Kilogramm auf den Boden, erhöht die Traktion, macht die Kiste zum Beschleunigungsmonster.

Kiste trifft es ganz gut: Eine Schönheit ist der mythen nicht. Dafür ist er zu sehr Prototyp, zu roh, zu funktional, zu klein, zu wenig elegant. Klar: Von Null auf Hundert in 0,956 Sekunden oder in knapp 12,24 Metern – da rückt die Ästhetik in den Hintergrund. Das Auge kommt bei dieser Beschleunigung sowieso nicht mit.

Icon stopwatch

0.956 s

0-100 km/h
Icon weight f1709546372

137 kg

Gewicht
Icon distance

12,24 m

Distanz 0-100 km/h
Icon energy

155,4 kW

Leistung

Der mythen war das 13. Auto des AMZ-Teams. Jedes Jahr wird innerhalb von zehn Monaten ein neuer Wagen konzipiert. Dazu analysieren die Bachelor-Student:innen aus dem dritten Studienjahr in Teams die verschiedenen Komponenten – Aufhängung, Chassis, Antrieb, Batterien – und entscheiden, in welche Richtung sie arbeiten wollen. Danach bauen sie sämtliche Komponenten selbst. Jetzt gerade laminieren sie im ETH Hangar das Chassis des Boliden, mit dem sie sich diesen Sommer an verschiedenen Rennen der sogenannten Formula Student mit anderen Universitäten messen. «Stuttgart ist stark, Aachen ebenfalls, auch Trondheim fährt immer vorne mit», sagt Jonas Hauser, 21, CEO der diesjährigen Kampagne. Es sind vor allem die europäischen Hochschulen, die den Sieg untereinander ausmachen. Die ETH Zürich ist eigentlich immer vorne mit dabei, hat mehrere Siege eingefahren. AMZ ist ein Abbild des Selbstverständnisses der Hochschule: internationale Spitze.

Eth hangar

Die ETH Zürich ist im Innovation Park Zurich mit mehreren Teams präsent, die in den ETH Hangars an ihren Projekten arbeiten. Zudem betreibt die Hochschule hier ein Büro, verantwortlich dafür ist Cyril Kubr. Er verfolgt vor Ort das, was er «die erste Sequenz» nennt: Die ETH Zürich wird in Dübendorf mit dem Innovationspark wachsen, neben dem Maschinenbau werden weitere Departemente hier Teams und Ableger stationieren. Mit ihnen gewinnt der Wissenstransfer an Bedeutung: zwischen verschiedenen Departementen, vor allem aber zwischen der Hochschule und der Industrie. Kubr beschreibt seine Arbeit so: die richtigen Leute und Firmen in den richtigen Formaten zusammenführen und Innovation ermöglichen. Was in Dübendorf entsteht, führe zu einer ganz neuen Art von Kollaboration. Die weitere Öffnung der ETH Zürich Richtung Industrie sei ein sehr konkreter Ansatz. «Das wird per se Innovation fördern», sagt Kubr. Entsprechend hoch schätzt er das nationale und internationale Potenzial für den Park und damit verbunden für die ETH Zürich ein.

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Nicht erfahrbar, beschreibt es wohl am besten.

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Lucien Fanton

AMZ hat seinen Platz im ETH Hangar zwischen dem Weltraumprojekt ARIS und dem Hyperloop-Team Swissloop, am anderen Ende des Hangars 2 arbeitet Cellsius daran, aus seinem Elektro- einen Wasserstoff-Flieger zu machen. In den Hochregalen kann die Entwicklung von AMZ zurückverfolgt werden: Hier lagern die Boliden der letzten Jahre.

Das Team arbeitet aktuell am Chassis des neuen Modells, es heisst «dufour», wie alle AMZ-Autos nach einem Schweizer Gipfel benannt. Es wird etwas länger und schmaler als das letztjährige Modell. Das ist der Anspruch, sagt CEO Hauser: jedes Jahr ein neues Designkonzept, jedes Jahr ein besseres Auto. 

Was sie hier lernen: Verantwortung übernehmen, Systeme entwickeln, die Schnittstellen zu den anderen Teams im Griff haben. Das bedeutet viel Arbeit – neben dem Studium, «siebzig, achtzig Stunden pro Wochen kommen gut zusammen», sagt Hauser.

Zwischendurch gilt es auch noch Bachelor-Prüfungen zu schreiben, manche legen schon erste Examen für den Master ab. Hört man Hauser beim Reden zu, könnte man zum Schluss gelangen, dass man eher nebenher studiert – und im Hauptfach im ETH Hangar an der Zukunft des Automobils arbeitet.

Aus einem grossen, blinkenden Lautsprecher tönt ziemlich laut ein ziemlich wilder Musikmix – opulenter Rock, gefolgt von Techno, gefolgt von Pop-Nummern –, für den hier niemand verantwortlich sein will. Die Student:innen drängen sich um eine längliche Form, die vor einer riesigen Röhre mit vielen Schläuchen steht, tragen Schicht um Schicht der schwarzen Carbonmatten auf, die später in der Röhre gebacken werden: 20 Stunden bei 50 Grad.

Die riesige Röhre ist ein High-End-Autoklav, den die ETH Zürich hier installiert hat. Ein gasdicht verschliessbarer Druckbehälter, in dem Carbonteile unter Druck und mithilfe von Hitze ausgehärtet werden. Das ist das Herausragende, was der Innovation Park Zurich und die ETH Zürich hier in Dübendorf bieten: Infrastruktur und Fläche, für den Bau und die Testfahrten der Boliden.

Die Teammitglieder von AMZ – insgesamt sind es rund 80 Student:innen– nutzen dieses Angebot intensiv. Für sie ist der Hangar während zehn Monaten die zweite Heimat. Entwickeln, überprüfen, bauen, weiterentwickeln und anpassen. Jede und jeder weiss genau, wofür sie oder er zuständig ist. Einzig für die Musik, die sie durch diese intensive Zeit begleitet, fehlt eine klare Zuständigkeit. Aber vielleicht ist das nur konsequent: Das schnellste Auto der Welt baut nur, wer alle Nebensächlichkeiten ausblendet.